Die Geschichte rund um Sven Hjerson, den Star-Profiler aus der Feder von Agatha Christies fiktiver Schriftstellerin Ariadne Oliver, wird lebendig. Und zwar in vier spannenden Kriminalfällen, die äußerst modern, geradezu stylisch inszeniert sind und dabei gekonnt die atmosphärische Dichte des Nordic Noir mit dem Filigranen der für die Queen of Crime so typischen „Whodunits“ und „Locked Room Mysteries“ verbindet.
Der einstige Star-Kriminalist Sven Hjerson (gespielt vom schwedischen Comedian Johan Rheborg und darum mit einer Extra-Portion Humor, bekannt aus „Der Hundertjährige …“ oder „Solsidan“) lebt zurückgezogen in Stockholm, nachdem er wegen des Vorwurfs, Beweise manipuliert zu haben, aus der Öffentlichkeit verschwunden war. Als er vom Tod seiner Mutter erfährt, macht er sich auf den Weg zurück in seine alte Heimat, auf die Åland-Inseln.
Unterwegs macht sich die chaotische, aber sehr liebenswerte TV-Produzentin Klara Sandberg, gespielt von Hanna Alström (bekannt aus „Kingsman – The golden Circle“ oder „Real Humans“) an ihn heran, weil sie beabsichtigt, Hjerson als Host für ihre True-Crime-Show zu gewinnen. Hjerson ist zunächst allerdings alles andere als begeistert. True Crime hatte er schließlich zur Genüge … Als jedoch an Bord der Fähre, auf der die zwei sich begegnen, eine junge Journalistin ermordet in ihrer Kabine gefunden wird, erwacht Hjersons alter Spürsinn. Wie sagt man so schön: Man bekommt vielleicht den Hjerson aus der Polizeiarbeit, aber nicht den Spürsinn aus einem Hjerson … Zufälliger- und glücklicherweise mangelt es an Bord auch nicht an Verdächtigen, sodass die Ermittlungsarbeit richtig an Fahrt aufnimmt und Sandberg ihn live und in Action erleben und genießen kann.
Sandberg ist so begeistert, dass sie auch weiterhin an Hjersons Seite bleibt, der nun als Privatermittler agiert – zumindest erst mal für auch drei weitere brisante Mordfälle samt ihrer Aufdeckungsarbeit. Es ist auch wirklich eine Bereicherung, auch für uns Zuschauer:innen, Hjerson bei seiner außergewöhnlichen Arbeit über die Schulter sehen zu dürfen. Ach, was heißt „Arbeit“ – sprechen wir lieber von „Begabung“. Denn seine Hypersensibilität für Persönlichkeiten und Orte und sein messerscharfer Sinn für Schlussfolgerungen macht es ihm möglich, Menschen zu lesen und Muster zu erkennen, wie nur wenige andere.
Sven Hjerson scheint Agatha Christie für die Nachwelt versteckt zu haben, er ist eine Vorlage, die sie den Realisateur:innen der Serie zum Ausmalen überlassen hat. Denn aufmerksame Leser:innen von Christies Romanen wird der Name bekannt vorkommen: Sven Hjerson. So heißt der Meisterdetektiv, den sich eine gewisse Ariadne Olivier ausgedacht hat. Und die wiederum ist natürlich ein Geschöpf von Agatha Christie – ein Alter Ego, mit deren Hilfe die „Queen of Crime“ das eigene Schaffen und die Beziehung zu ihrem Helden Hercule Poirot gelegentlich selbstironisch reflektierte.
Dabei ist „Hjerson“ aber keine werkgetreue Verfilmung, sondern ein ungewöhnliches Spin-off: Sven Hjerson geistert als fiktiver Charakter durch einige Romane der Queen of Crime – die Serie stattet den exzentrischen Dandy mit einer eigenen Backstory aus und stellt ihn ins Zentrum gegenwärtiger Mordermittlungen. Anders als Hercule Poirot oder auch Miss Marple, die in unserer heutigen Zeit nur schwer vorstellbar wären, ist Hjerson nach jahrzehntelangem Dornröschenschlaf durch die Zeit gereist: Die schwedischen Produzent:innen von TV4 und B-Reel Films haben ihn wiederentdeckt – eben als Geschenk Christies. Was sie daraus gemacht haben, lässt uns staunen und macht uns mörderisch Lust auf mehr! Aber seht selbst.
Agatha Christies Hjerson
(SE, 2021)
Krimi, Drama, Humor